Was bezahlen wir für ein Service, das uns angeboten wird?

Aus dem Leben einer Onlinehändlerin.....

Sie wollen Ihr Geschirr verkaufen? Dabei möchten Sie natürlich den höchstmöglichen Preis erzielen. Also schauen Sie auf Ebay nach, welche Preise da verlangt werden. Dann zählen Sie die Einzelpreise zusammen und schreiben verschiedene Händler an. Schließlich möchten Sie ja auch möglichst wenig Arbeit haben und das Gesamtpaket soll bestenfalls bequem daheim abgeholt werden.

Das verstehe ich natürlich und ich würde es auch genau so machen. Aber bedenken Sie dabei bitte:

  • ich bekomme an manchen Tagen mehr als 10 verschiedene Ankaufsanfragen und kann leider nicht alles nehmen
  • ich habe Mitarbeiter, für die ich jeden Monat Lohn und Sozialversicherung bezahle. Drei Mitarbeiter / Mitarbeiterinnen sind hier vor Ort für Einkauf, Kundendienst und Verpackung zuständig. Ich habe einen Telefondienst und mindestens eine Virtuelle Assistentin.
  • ich zahle Steuern. Wenn ich eine Rechnung über 200 Euro schreibe, dann gehen 32 Euro direkt ans Finanzamt für die Umsatzsteuer und nur 168 Euro kommen bei mir an. Einkommensteuer zahle ich übrigens auch und meine Krankenversicherung möchte auch jeden Monat ihr Geld.
  • ich zahle Verkaufsprovisionen an Ebay und an Amazon. Wenn ich für 200 Euro verkaufe, dann bekommen diese beiden Plattformen etwa 33 Euro davon. Das sind ungefähr 15% - und zwar auch auf die Versandkosten.
  • ich zahle viele, viele Rechnungen, die ein Privatverkäufer nicht hat: Steuerberater, Shopgebühren, Buchhaltung, Versicherungen, Computer/Drucker/Handy/Kamera/Telefon und vor allem immens viele Werbekosten. Werbekosten? Ja, es kostet sehr viel Geld, um bei Facebook/Instagram/Pinterest/Youtube und vor allem bei Google gefunden zu werden.
  • Verpackungsmaterial - das geht mittlerweile so richtig ins Geld. Luftpolsterfolie, Seidenpapier, Schrenzpapier, Klebeband und Kartons in allen möglichen Größen.

All diese Kosten muss ich aus der Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis bezahlen. Wenn ich das geschafft habe, dann Juhu??? Nein, denn dann habe ich ja immer noch nichts verdient. Ich arbeite von morgens bis spätabends, auch am Wochenende und an Feiertagen. Warum? Weil da die meisten Anfragen und Bestellungen reinkommen. Ein 10 bis 12 Stunden Tag ist keine Seltenheit. 7 Tage die Woche. Möchte ich mit meiner Arbeit, die ich über alles liebe, auch Geld verdienen? Ja, das möchte ich :-)

Was ist für uns noch ausschlaggebend?

  • Teile mit Verfärbungen, Rissen, Macken, beschädigter Glasur, etc können nicht weiterverkauft werden und zählen deshalb nicht
  • auch Kannen oder Zuckerdosen ohne Deckel sind quasi wertlos
  • bestimmte Porzellanteile werden von Kunden nicht oft gesucht und stehen deshalb manchmal jahrelang in unseren Regalen rum. Zum Beispiel Saucieren, Kaffeekannen, manche Terrinen und Zuckerdosen/Milchkännchen. Auch Unterteller zähle ich einzeln nicht mit. Wenn eine Kaffeetasse 10 Euro im Einkauf kosten soll und der Unterteller noch mal 10 Euro, was müsste ich denn dann für das zweiteilige Kaffeegedeck verlangen, damit ich auch noch die Mitarbeiterin bezahlen kann, die es einpackt?
  • wenn ich ZU einem Geschirr 3 Stunden fahren muss, dann muss ich auch wieder 3 Stunden ZURÜCK fahren. Das sind dann über 7 Stunden, in denen ich nicht arbeiten kann. Es gibt tatsächlich nur sehr wenige Highlights, für die ich so lange unterwegs wäre. Keinesfalls aber für ein Geschirr, das ich 5x die Woche angeboten bekomme oder das nur 10 Teile beinhaltet
  • in meine Kalkulation gehen auch "Fehler" mit ein. Ich hafte für Schäden, die auf dem Transportweg auftreten. Zum Glück ist dies wirklich nur noch sehr selten der Fall. Wenn ein Kunde etwas bestellt und er dann feststellt, dass es die falsche Größe hat, zahle ich die Versandkosten für den Hinweg (und es passiert ständig, dass die Beschreibung mit den Maßen einfach nicht gelesen wird). Wenn ich mir Geschirr zuschicken lasse und die Hälfte kaputt ankommt, dann bleibe ich oft auf dem Schaden sitzen - und dann ist der Einkaufspreis plötzlich doppelt so hoch wie vorher kalkuliert. Übel auch bei Teilen, die angeblich in einem hervorragenden, neuwertigen Zustand sind und dann dicke, fette Verfärbungen aufweisen oder tiefe Macken am Tassenrand
  • wir sind auch sehr vorsichtig geworden, weil wir schon oft Hunderte von Kilometern gefahren sind und vor Ort dann hörten, dass die Abplatzer ja nur "normale Alterserscheinungen" sind, die Flecken ganz normal und leider, leider die Nachbarin gerade die Butterdose und die Auflaufform abgeholt hat - der Preis aber gleich bleibt
  • im Übrigen: die Preise, die bei Ebay stehen, sind die Preise, die die Verkäufer gerne möchten. Es sind nicht unbedingt die Preise, zu denen das Geschirr auch tatsächlich verkauft wird. Dazu besser unter "Verkaufte Artikel" nachschauen
  • Gesamtpreis ist ungleich Einzelpreise x Teile. Mein ganzes Geschäftsmodell beruht darauf, dass der Kunde kein 85teiliges Service kauft, wenn ihm eine Kaffeetasse hingefallen ist. Deshalb ist natürlich das große Service nicht so viel wert wie die Summe aller Einzelteile. Schließlich muss man eventuell auch 85 Fotos machen, 85 Anzeigentexte schreiben, 85 Pakete packen, 85 Emails beantworten und verschicken....

 

Fazit

Der Privat-Verkäufer möchte einen möglichst guten Preis erzielen und der Käufer (in diesem Falle wir) möglichst wenig zahlen.

Das ist normal und liegt in der Natur der Sache. Manchmal kann man sich einigen und jeder ist zufrieden. Manchmal klappt das nicht - aber das ist ja auch nicht schlimm. Es gibt immer noch einen Verkäufer und immer noch einen Käufer, der andere Vorstellungen hat. Vielleicht passt das dann besser. Aber es gibt auf jeden Fall keinen Grund, den anderen anzupöbeln. Vielleicht würde man in seinem Falle ja genau so reagieren?