Es war einmal eine kleine Ebay-Händlerin.....

Es war einmal eine kleine Ebay-Händlerin.....

Es war einmal....

eine kleine Ebay-Händlerin. Da sie wegen ihrer Kinder keinen Ganztagsjob annehmen konnte, wurde sie selbständig. Dadurch konnte sie sich ihre Zeit frei einteilen und die neu gegründete Plattform Ebay machte es ihr möglich, von daheim aus zu arbeiten. Sie investierte ihr eigenes, privates Geld (und das ihres Mannes natürlich) und kaufte fleißig ein. Es machte ihr viel Spaß und bekanntlich ist man ja immer darin am besten, was man mit Liebe und Hingabe macht. Die Zeiten vergingen, die Kinder wurden größer, die Erfahrung auch. Und so kam dann "ganz überraschend" in einem Jahr das Überschreiten der Kleinunternehmergrenze. Sie weinte, weinte und weinte. Es war eine große Steuernachzahlung fällig und gleichzeitig stiegen die Vorauszahlungen. Außer Einkommensteuer war jetzt auch noch Umsatzsteuer fällig und upps, auch eine eigene Krankenversicherung. Das kommende Jahr war heftig, aber sie schaffte es irgendwie. Alles hinwerfen war keine Alternative, obwohl sie oft kurz davor war. Aber das hätte die offenen Rechnungen ja auch nicht bezahlt und was wäre aus dem Lagerbestand geworden. Also ging es weiter....

Wieder einmal investierte sie das Privateinkommen und vergrößerte den Shop. Ein neues System musste her, damit sie wettbewerbsfähig blieb. Denn im Internet ist man innerhalb von Sekunden vergleichbar mit Privatleuten, die die gleiche Ware billiger hergeben können, weil sie keinerlei Kosten haben und ihnen das ungeliebte Zeugs nur Platz wegnimmt. Lagerräume mussten her, Regale, Schreibtische für die neuen Mitarbeiter. Die Fixkosten stiegen: Löhne und Sozialabgaben, Verkaufsprovisionen und Zahlungsanbieter, Beiträge und Versicherungen. Sie wurde größer und bekannter, aber..... am Monatsende blieb einfach nicht genug Geld übrig. Im Gegenteil: oft musste sie drauflegen und auf den nächsten Monat hoffen. Aber auch die eigenen Arbeitszeiten stiegen. Plötzlich waren die Wochenenden futsch und die Feierabende immer kürzer. Will man nicht am Monatsende so etwas wie Lohn für seine eigene Arbeitszeit haben? Aber das war einfach nix übrig und der Frust wurde immer größer.

Bis sie begriff: ihre Kalkulation war komplett falsch und trieb sie langsam, aber sehr zielstrebig in die Pleite.

Sie setzte sich auf ihren Hosenboden und schrieb genau auf, welche festen und welche variablen Kosten sie hatte. Und sie merkte: halbe-halbe reicht lange nicht aus. Am Anfang ihrer Tätigkeit war die Rechnung ganz einfach: die Artikel wurden für das Doppelte des Einkaufspreises verkauft. Aber im Laufe der Jahre hatte sich diese Rechnung drastisch verändert. Gut, dass sie das korrigieren konnte und nun eine "richtige" und reale Kalkulation hatte. Buchhaltung ist aufwändig, aber ohne sie geht es einfach nicht.

Nun war ihr Ziel, dies auch den Privatverkäufern zu vermitteln, die ihr Geschirr anboten. Denn die Menschen, die ihr Geschirr verkaufen wollen, sind keine Kunden, sondern Verkäufer. Auch sie haben Ziele: sie wollen ihr Geschirr nicht Stück für Stück loswerden und auf der Hälfte der Sache sitzen bleiben, sondern das Komplettset ausräumen können. Selbstverständlich wollen sie auch das Maximum an Geld rausholen - wer will das nicht? Aber das ist halt nicht beim Händler, der ja nur ein Vermittler ist. Durch seine größere Reichweite kann er viel mehr potentielle Kunden erreichen, aber er hat auch maximal Arbeit mit dem Kontrollieren, Fotografieren, Beschreiben, Einstellen, Anfragen beantworten - und die entsprechenden Kosten. Diese Arbeit ist also sein Aufschlag, sein Verdienst. Und dazu gehören auch all die Stunden, die man aufwenden muss, um überhaupt so bekannt zu werden, dass man die Interessenten erreichen kann. Social Media ist hier kein Privatvergnügen, sondern tatsächlich Arbeit.

All das fließt in die Kalkulation ein, also eine ziemlich komplizierte Angelegenheit, die sich auch noch von Service zu Service ändert. Es gibt Dekore, die stehen Ewigkeiten im Regal, weil sie nur von wenigen gesucht werden. Aber auch bei beliebten Serien bleibt immer ein Rest: meist Kaffeekannen, Saucieren und Terrinen. Auch das muss immer eingerechnet werden. Privatverkäufer sehen im Shop, zu welchem Preis verkauft wird. Sie sehen aber nicht, wie lange manche Teile ungeliebt in der Ecke stehen. Der Preis, der laut Shop zu erreichen ist, ist zuerst einmal ein hypothetischer Wert. Heißt: der Händler ist meist froh, wenn er mit den Kaffeetassen und Speisetellern, die als erstes verkauft werden, den Einkaufspreis wieder raus hat. Gewinn? Der stellt sich tröpfchenweise in den kommenden Monaten ein: mal hier eine Platte, mal dort ein paar Mokkatassen. Die Rechnung ist eigentlich ganz einfach, muss aber verstanden werden:
400 Euro bezahlt, 200 Euro eingenommen - ist erst mal ein Verlust von 200 Euro. Die Kosten klingeln aber trotzdem in den Kassen dunkel vor sich hin.

Nicht zu vergessen: ein Service für 1.000 Euro ist kein Einkauf, sondern eine Investition, von der man erst im Nachhinein weiß, ob sie sich gelohnt hat oder nicht.

Und so wird die ehemalige Ebay-Verkäuferin von Jahr zu Jahr, von Monat zu Monat und von Woche zu Woche klüger. Wenn sie ein Geschirr nicht kaufen möchte, dann ist das überhaupt nicht persönlich gemeint. Sie hat nur gelernt, dass zu viele Ja´s am Ende es Monats zu einem fetten NEIN auf dem Konto führen. Wenn ein Service für 200 Euro rentabel ist, dann ist es das für 400 Euro halt nicht mehr. Das klappt auch umgekehrt (nicht): wenn der kalkulierte Preis 40 Euro beträgt, dann ist ein Rabatt von 30% für den Kunden prima - für den Jahresabschluss aber nicht. Weil sie das weiß, bleibt sie hart - nicht aus Raffgier und Arroganz. Und weil sie weiß, dass die Arbeit sich nicht von alleine macht, geht sie jetzt an die Buchhaltung und hört auf, euch Geschichten zu erzählen.

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