Gestern war Geschirr-Abholtag. Ich habe ein großes Service bei Ebay-Kleinanzeigen gefunden und mehrfach mit der Verkäuferin hin und her geschrieben. Ob das Geschirr denn auch alles in gutem Zustand wäre, ohne Macken (die Frage stelle ich immer aufgrund böser Erfahrungen in dieser Richtung). Ganz viele Fotos waren in der Anzeige zu sehen, auf denen man das Geschirr sehen konnte und …. ein seltenes Eierhuhn. Ich habe mich so gefreut, ein Eierhuhn von Villeroy & Boch hatte ich schon lange nicht mehr. Bei Ebay wird es zwischen 100 und 150 Euro gehandelt. Also ein Schnäppchen, super!!! Groß und breit als Überschrift stand dabei: „Großes Service für 12 Personen“. Ach, ich habe mich richtig gefreut und wir haben einen Termin abgemacht. Um 16 Uhr bin ich mit den Kindern los. Ein Weg ca 1 1/2 Stunden, zusammen also 3 Stunden Fahrt plus Verpackerei. Wird ein langer Abend….
Als wir endlich dort ankamen, hatten wir zuerst mal ein Parkplatzproblem. Die Plätze waren alle vollgestellt und durch einen ganz schmalen Weg musste man an sechs Häusern vorbeilaufen, um an die gesuchte Hausnummer zu kommen. Mit Körben voller Geschirr bekommt man bei solchen Wegen gerne mal lange Arme. Nun ja, zumindest konnten wir nicht schwitzen, es regnete nämlich. Wir begrüßen uns, ich schaue mir das Geschirr an und fragte: „Nanu, wo ist denn das Eierhuhn?“ Antwort: „Das kann ich Ihnen leider nicht mitgeben. Das ist die letzte Erinnerung an meine verstorbene Mutter! Es hat für mich einen hohen gefühlsmäßigen Wert, ich bringe es nicht über´s Herz!“
Was? Ich konnte das gar nicht fassen. In der Anzeige war ganz deutlich ein Bild vom Eierhuhn zu sehen? Und das konnte man mir auch vorher nicht sagen/schreiben? Ganz plötzlich war ihre Liebe zum Huhn erwacht und das wollte sie dann mal geheim halten, bis ich vor ihr stand? Ich war wirklich sauer. Noch dazu entpuppte sich der halbe Satz: „Geschirr für 12 Personen“ als seltsames Missverständnis. Es waren nämlich nur 8 Tassen, 10 Speiseteller, 8 Suppentassen, 6 Brettchen, 3 Becher da. Wie sollen denn 12 Personen aus 8 Tassen ihren Kaffee trinken? „Jaaaaaa, ursprünglich war das Geschirr für 12 Personen, aber dann ist hier und da etwas kaputtgegangen!“
Ich bekam langsam Schnappatmung. Ich fragte sie, ob sie das denn fair finden würde, mich mit den Kindern den weiten Weg fahren zu lassen, um mir dann vor Ort zu sagen, dass leider nur noch ein Teil des Geschirrs da ist. Hätte sie mir das vorher so gesagt, könnte ich gemütlich daheim im Wohnzimmer sitzen. Ich war so sauer, ich musste erst mal rausgehen. Mein Mann am Telefon war spinneböse. Das wäre Betrug und ich sollte jetzt ohne das Geschirr heimfahren. Die Verkäuferin soll merken, dass das nicht in Ordnung war, und auf ihrem Geschirr sitzen bleiben. Tja…. mein Bestreben war aber nicht, ihr eine (fragwürdige) Lektion in Sachen Ehrlichkeit zu erteilen, sondern Geschirr für meine Kunden zu bekommen. So sauer ich auch war: über 3 Stunden Fahrt umsonst? Die Zeit, das Benzin, die Mühe? Also bin ich nach einiger Zeit wieder rein und habe ihr deutlich gesagt, dass ich wegen diesem Restgeschirr nicht so weit gefahren wäre und dass ich das ganz übel finde. Ich würde es trotzdem nehmen, aber zu einem abgespeckten Preis, weil ja auch nicht alles da ist, was mir versprochen wurde. Ihre Antwort: „Wissen Sie, das Problem ist, dass da schon ganz viele Leute angerufen haben, die das Geschirr gerne zu diesem Preis nehmen.“ Erstens mal: doofe Formulierung, denn das dürfte für sie ja kein Problem darstellen. Zweitens bin ich ja nicht bescheuert. Ich glaube vor lauter Ehrlichkeit ja immer jedem alles, aber das war selbst für mich zu offensichtlich. Es waren in der Wohnung bestimmt genügend emotional aufgeladene Gegenstände, die sie an ihre geliebte Mama erinnert hätten. Aber da hatte jemand angerufen und ihr Geld für das Eierhuhn geboten, während sie mir schon zugesagt hatte. DAS war das Problem (meines, nicht ihres).
Letztendlich bekam ich dann einen kleinen Rabatt, weil ich so hartnäckig war. Zähneknirschend habe ich dann mit den Kindern alles in schwere Kisten verpackt, die wir dann den langen Weg im Regen ans Auto getragen haben, bis die „nette“ Dame dann beim letzten Karton (wobei wir noch Angst hatten, dass er unten aufgeht und das ganze Porzellan auf dem Boden liegt) fragte, ob wir denn vielleicht so einen kleinen Wagen zum Transport bräuchten? Grrrrrrrrr…..
Das war mal so ein Auszug aus dem Kapitel „Einkauf im Porzellankeller“. Da könnte ich aber wirklich noch vieles dazu schreiben. Das hochgepriesene wertvolle Porzellan hat sich sehr oft nach langer Fahrt als Bananenkiste voller alter, angeeckter Einzelteile mit unappetitlich braunen Flecken herausgestellt. Auch die Aussagen: „Ich hatte ihnen ja vorher schon gesagt, dass ein großer Abplatzer am Rand ist? Nein? Ach, ich habe aber gedacht, ich hätte es Ihnen gesagt!“ ist leider überaus häufig. Es gibt auch Menschen, die uns dann im Regen stehen lassen und sagen, dass sie nicht an Händler verkaufen, weil sie wollen, dass das Geschirr in gute Hände kommt. Alles schon da gewesen. Schmälert mir manchmal einfach die Freude, ein tolles Service heimzubringen. Und hier fängt ja dann die eigentliche Arbeit erst an. Jedes Teil muss ausgepackt, angeschaut, aufgeschrieben, fotografiert und ins Regal runtergebracht werden. Ist bei großen Servicen mit 250 Teilen ein paar Stunden Arbeit. Aber wenn sich dann jemand freut, weil er seine Kaffeetassen endlich wieder komplett hat, dann freue ich mich mit ihm. Ich liebe meinen Job!