Guten Morgen

Generelle, allgemeine, oft gehörte Meinung:
"Porzellan ist nichts mehr wert. Das wird dir auf dem Flohmarkt nachgeworfen! Die jungen Leute haben kein Interesse mehr daran und kaufen nur bei Ike.."
Flohmarkthändler, die ich nach dem Preis frage:
"Das ist Villeroy & Boch" - andächtiges Schweigen - "Das ist richtig teuer. Der Kuchenteller von Paradiso, Hunderte von Jahren alt, ist sehr selten und wertvoll. Er kostet 45 Euro. Da machen Sie ein richtiges Schnäppchen. Der Riss und die paar Abplatzer? Das ist zweite Wahl, das macht gar nichts."
Kunden, die etwas von mir kaufen wollen:
"Der olle Teller soll 18 Euro kosten? Der ist ja schon uralt. Wenn ich meine Lupe raushole und zwei Lesebrillen übereinander anziehe, sehe ich da eine beigefarbene Verfärbung mitten in der rechten Pupille des Paradiesvogels. Das mindert den Preis ja wohl enorm. Ich habe für meine Teller daheim 2 Euro pro Stück bezahlt, damals 1978 in Buxtehude beim Feuerwehrflohmarkt, wo es diese leckere Erbsensuppe gab. Deshalb finde ich einen Preis von 2,50 Euro sehr fair. Sie wollen ja auch was dran verdienen! Das verstehe ich. Man sollte ja halt nicht so raffgierig sein."
Übertrieben? Nein, gar nicht. Ein Angebot von gestern: 21 Teile Villeroy und Boch, unvollständig, mit Gebrauchsspuren.
Die Privatverkäuferin schrieb mir "... dabei sowohl den Zustand berücksichtigt und auch das Sie als Händlerin ja auch noch verdienen müssen. Wenn ich nun alle Teile bewerte komme ich auf einen Betrag von 400 €, da Sie ja aber auch verdienen wollen denke ich das 330 zzgl. Versand sehr angemessen sind"
Zusammengefasst: ich soll 330 Euro plus Porto bezahlen. Der Rest, also vielleicht 50 Euro, sind dann fair und ein angemessener Verdienst für meine Arbeit, alle Teile einzeln zu verkaufen. Kosten? -Welche Kosten?
Und so bilden sich dann die Meinungen - vor allem, weil sehr gerne Einzelfälle verallgemeinert und als allgemeingültig weiterverbreitet werden. Da wird dann über die gierigen Händler und ihre unfairen Preise hergezogen. Aber auch Privatkunden werden diesen Preis nicht bezahlen - schon mal gar nicht als Komplettset mit 20 Euro pro gebrauchtem Teil. Dann heißt es anschließend: "Das Geschirr ist heute nichts mehr wert. Das kann man nur noch in die Tonne klopfen". Die Wahrheit liegt - wie fast immer - irgendwo in der Mitte.
Aber jetzt muss ich mich an die Arbeit machen. Einen netten Gruß an alle Kundendienste verschicken. Marie fragen, ob sie tatsächlich eine Ausbildungsvergütung braucht oder nicht doch ab jetzt kostenlos für mich arbeitet. Das Finanzamt anschreiben, dass ich ab jetzt weniger Steuern bezahle, weil ich an dem Geschirr ja massive Verluste mache - Vorsteuererstattung bitte auf mein Konto, damit ich davon die Krankenkasse bezahlen kann. Pakete gehe ich mir dann ins Aldi zusammensuchen und bei Ebay werde ich mich jetzt auch mal beschweren, warum die mir jeden Monat Geld abziehen. Das ist ja wohl nicht fair.